Geschichte zum Geniessen
Wer Althergebrachtes mag, wird das Wasserschloss Hagenwil lieben. Seit sieben Generationen ist hier die Familie Angehrn eng mit Land und Leuten verbunden. Die Geschichte der 200 Jahre alten Gaststätte reicht aber noch erheblich weiter zurück.
Meterdicke Mauern, Wassergraben, Zugbrücke – so wehrhaft sich das historische Gebäude von aussen präsentiert, so zugänglich und sympathisch ist der Schlossherr. Andi Angehrn ist seit 13 Jahren Gastgeber im Wasserschloss Hagenwil. Einem modernen À-la-carte-Restaurant, das auch Leckerbissen für Freunde mittelalterlicher Kultur und Architektur bereithält. Seit sieben Generationen schalten und walten die Angehrns in diesen Gemäuern. Ob es einen roten Faden gibt, der sich durch diese lange Zeit spannt, wollen wir wissen. «Die Verbundenheit zur Bevölkerung und zum Ort. Wir sind immer Bauern gewesen», sagt Andi, ausgebildeter Koch und Hotelfachwirt. «Ich bin die erste Generation, die fast nur noch in der Gastronomie aktiv ist – die Landwirtschaft ist verpachtet, nur den Rebberg bewirtschaften wir noch selbst.»
Von Balken und Sponsoren
Wir sitzen im so genannten Wehrgang mit Blick in den Innenhof und auf den Turm, den ältesten Teil der Anlage. Er stammt ungefähr aus dem Jahr 1200. Der Bereich, in dem wir uns befinden, wurde vergangenes Jahr saniert und zu einem modernen Restaurantraum ausgebaut. Gebäude mit mehreren Hundert Jahren Geschichte halten unzählige Aufgaben – um nicht zu sagen Herausforderungen – bereit. Andi nimmt sie gerne an, sagt er: «Bei Umbauten muss man sich in die Materie hineinarbeiten. Wir sind eigentlich immer dran am Restaurieren und Sanieren – und in der glücklichen Lage, dass wir den Verein Freunde vom Wasserschloss Hagenwil als Gönnerverein im Rücken haben.»
Obwohl es Förderungen von Gemeinde, Kanton und Eidgenossenschaft gab, mussten die Bauherren noch für einen grossen Teil selbst aufkommen. Die Kosten stiegen während der Arbeiten immer weiter und die Angehrns und der Verein mussten kreativ werden. Sie suchten kurzerhand Stuhlsponsoren, die einzelne Stühle im Gastraum erwerben und sich so einbringen konnten. Die Aktion hat sich gelohnt. Es ist ein stilvoller Ort mit freigelegten, alten Deckenbalken entstanden. Sie verleihen heute dem Wehrgang sein historisches Flair. Auch im alten Mostkeller unterhalb des Turmes begegnet man mächtigen Balken. Sie sind auf das Jahr 1420 datiert und halten den Lasten «wohl mehr aus Gewohnheit, denn aufgrund statischer Berechnung stand», wie ein Sachverständiger einmal lakonisch bemerkte. Darüber liegt die ehemalige Kornkammer, ganz oben der Schloss-Saal mit schönem Kachelofen und stilecht erneuerten Butzenscheiben. Er ist das Prunkstück der Anlage und bietet bis zu 120 Gästen Platz zum Feiern.
Küche von hier
Eine andere Aufgabe, der sich Andi leidenschaftlich widmet, ist das Restaurant. Es ist regional und saisonal ausgerichtet. Andi: «Es klingt zwar abgedroschen, trotzdem haben wir von Anfang an auf diese Karte gesetzt.» Mit Bauern über die Produkte reden, in der Küche ungemütlich sein und immer wieder Regionalität und Kreativität einfordern, im Service mithelfen und das Feedback der Gäste direkt mitbekommen – das sind Dinge, die ihn erfüllen. Kulinarisch will Andi jedoch bewusst nicht auf Gourmet-Spielereien setzen. Ihm gehe es nicht um Punkte, sondern ums Essen und ums Wohlfühlen. «Wir können uns ganz gut selbst motivieren, um gut zu sein.»
Neben der regionalen Küche ist es wieder der geschichtsträchtige Bau, der den Unterschied macht: «Es ist sehr spannend, so viele Räume und verschiedene Atmosphären zu haben», erklärt Andi und führt uns in den Rittersaal, die Kapelle, das Himmelbettzimmer und weiter ins Grossmutterstübli. Von urig über prachtvoll bis romantisch. Hier findet sich für jeden Anlass der passende, einzigartige Raum. Deshalb wird das Wasserschloss auch gerne für Trauungen genutzt. Rund 100 Hochzeitsfeiern finden hier pro Jahr statt – drinnen, draussen auf dem Rebberg und im Wassergraben. Denn es gibt auch ein Floss für Apéros. Andi hat es während des Lockdowns 2020 mit Hilfe seines Schwagers und Freunden selbst gebaut.
Die spezielle Umgebung spielt auch eine wichtige Rolle bei den Theateraufführungen, die seit zwölf Jahren jeden Sommer im Innenhof organisiert werden. Die Inszenierungen werden von einem Regisseur mit wechselnden Ensembles einstudiert. «Die Idee ist, dass die Stücke zum mittelalterlichen Rahmen passen», erklärt der Burgherr.
In vino veritas
Andis dritte Lieblingsaufgabe: draussen im Rebberg mithelfen. «Ich bin sehr gern draussen, aber oft reicht leider die Zeit nicht dafür.» Vergangenen Winter wurde ein Viertel der Reben entfernt. Zwei Männer sind gerade damit beschäftigt, die neuen PiWi-Reben zu schneiden. Das sind – passend zum Ort – wehrhafte, pilzwiderstandsfähige Züchtungen, die mit weniger Pflanzenschutzmitteln auskommen und so den ökologischen Landbau ermöglichen. Auf die Frage, welches denn sein Lieblingswein sei, antwortet Andi grundehrlich: «Eigentlich müsste ich jetzt sagen, unser eigener. Aber den kenne ich inzwischen zur Genüge. Es gibt einen Haufen guter Weine, da kann ich mich nicht entscheiden.»