Moderne Biernostalgie

Kaum eine Schweizer Brauerei übersetzt Jahrhunderte alte Biertraditionen so erfolgreich in die Jetztzeit wie Doppelleu Boxer. Die treibende Kraft hinter den aromatischen Updates sind zwei Quereinsteiger: Jörg Schönberg und Philip Bucher.

Positive Begegnungen hatte ich erst recht spät. Vor allem in meinem vergangenen Job als Marketingleiter, als ich in vielen Ländern unterwegs war. Davor war ich mit einer Lagerbiereinöde gestraft. In Belgien, Holland, England, Tschechien und Polen habe ich Bier erst richtig kennen und schätzen gelernt. Auch Italien ist unglaublich kreativ mit schweren, fassgereiften Bieren.

Doppelleu ist zuerst einmal eine Referenz an das Stadtwappen von Winterthur mit seinen zwei Löwen. Auch unser Logo zeigt einen doppelten Löwen – man erkennt es an den beiden Schwänzen. Es gibt aber noch weitere Bezüge. Wir haben das Unternehmen zu zweit gegründet und man kann sagen, wir kämpfen wie die Löwen in diesem spannenden Markt.

Chopfab ist aus unserem Wunsch entstanden, etwas typisch Schweizerdeutsches und zugleich nichts Ortsgebundenes zu haben. Der Name sollte sowohl in Zürich als auch Bern oder Basel funktionieren. Er ist eine Anspielung auf das Köpfen der Flasche und das genüssliche Wohlgefühl, das mit diesem Moment verbunden ist – und er ist auch ein Wortspiel mit «Hopfen». Wichtig war uns, dass der Produktname einprägsam ist, weil wir kein Geld für Marketing hatten und auf Mund-zu-MundPropaganda angewiesen waren. Spannenderweise verstehen ihn auch die Franzosen. La Chope bedeutet auf Französisch Becher, und Chopfab kann daher als «fabelhaftes Bier» verstanden werden.

Erfolg ist immer die Kombination von exzellentem Inhalt und gutem Marketing. Wir verbinden einen urbanen Auftritt mit verrückten Namen mit absoluter Spitzenqualität. Unsere Biere erhielten in Blindverkostungen laufend höchste Prämierungen. Gerade vergangene Woche wurden wir von Meininger’s Craft Beer Award wieder zur Brewery Of The Year gekürt. Inhalt und Auftritt müssen Hand in Hand gehen – nur eine coole Marke und Schrott in der Flasche, das geht nur einmal.

Ich glaube, es braucht Vielfalt und einen Schuss Verrücktheit. Aktuell haben wir Biere in 25 Bierstilen. Wir sind eine moderne Marke, die immer etwas Neues ausprobiert. Vier Mal im Jahr bringen wir zum Beispiel die Brewmaster Edition heraus. Bei dieser Produktlinie haben unsere vier Braumeister wirklich freie Hand, um ihre eigenen Projekte umzusetzen. Da wird dann experimentiert: mit Champagner-Hefe, mit den seltensten Hopfenarten, mit Chili, Vanille oder Wachholder. Dann entsteht zum Beispiel ein Wachholder Ale rund um den Gin-Hype. So versuchen wir spannend zu bleiben.

Die Idee dahinter ist, eine Aromatik in ein Bier zu bringen wie sonst keiner in der Schweiz. Unter anderem sind wir dafür eine Kooperation mit Jameson Whiskey eingegangen und haben frisch geleerte Whiskey-Fässer aus Irland importiert. Unsere Brewmaster und die Masterdestiller haben sich für diese Kreationen intensiv ausgetauscht.

Durch die sechsmonatige Reifung im Cognac- und Bourbon-Fass erhält das Bier einen Geschmack, den es von sich aus nicht erreicht: extrem elegant und rund. Insgesamt legen wir damit nicht drauf, aber man wird auch nicht reich. Es soll einfach begeistern und speziell sein.

Stimmt. Wir nehmen alte Bierstile auf, interpretieren sie aber so modern wie möglich. Unsere Biere sollen nicht schmecken wie vor 150 Jahren im Kloster, eher wie ein guter Weisswein. Weniger Resthefe und Feststoffe machen sie eleganter und trinkbarer. Das heisst, sie haben eine traditionelle Aromatik, sind aber leicht zu trinken und bekömmlich – trotz 10 Vol.-%.

«Ich glaube, es braucht Vielfalt und einen Schuss Verrücktheit.»
Philip Bucher

Ich würde sagen, unsere Jungunternehmer-Prozesse sind noch vorhanden – im Positiven wie im Negativen. Wir wollen die Start-up-Philosophie auf jeden Fall bewahren, denn wir sind noch lange nicht am Ziel.

Da ist sicher noch Platz. Der Schweizer Biermarkt ist riesig und der Spezialitätenmarkt wächst global. Je mehr Leute auf den Geschmack kommen, desto attraktiver wird auch unser Sortiment.

Es gab keine Gewissheit. Wir waren einfach mutig, verrückt und naiv. Wenn wir gewusst hätten, was uns erwartet, hätten wir es vielleicht nicht gemacht. Wachsen, Kapazitäten schaffen – das ist anspruchsvoll. Aber wenn die Kunden von sich aus kommen – die Grossverteiler und Getränkemärkte –, dann will man auch nicht nein sagen. Der Sprung von klein zu mittelgross ist finanzintensiv und es war eine Challenge, das zu stemmen. Ohne eine jugendliche Verrücktheit wäre es vielleicht nicht zu machen gewesen. Rückblickend können wir aber sagen, es kam besser, als wir es uns je erträumt hatten.

Was uns freut, ist, dass wir in der Gastronomie hohe Wachstumsraten haben, obwohl es hier extrem kompetitiv ist. Wir gewinnen jedes Jahr über 100 Restaurants dazu – und setzen uns dabei gegen die Finanzkraft der Grossen durch. Wir haben keine Sponsoring-Verträge etc. und trotzdem gewinnen wir viele Kunden. Das beweist, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Das hat sich ergeben. Sie suchten einen Nachfolger und wollten eine Schweizer Lösung. Wir haben zusammengepasst wie zwei Puzzleteile. Es gab keine Overlaps und viele Synergien. Jetzt sind wir als einzige Brauerei in beiden Sprachgebieten zuhause. Dazu kommt, dass wir mit unseren Produktionsstandorten die regionale Karte authentisch ausspielen können. Im Gegensatz zu manchen Mitbewerbern.

Nein. Ursprünglich dachten wir an den Grossraum Zürich. Es war überraschend, dass wir in der ganzen Deutschschweiz so gut funktionieren. Und mit Boxer haben wir eine Produktmarke, die schon in den 60er und 70er Jahren in der ganzen Schweiz getrunken wurde.

Wir werden sicher ein Fest machen gemeinsam mit Kunden und Partnern – hoffentlich ohne Einschränkungen, ohne Masken und dafür umso bieriger.

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